Selbstverletzendes Verhalten

Von Selbstverletzendem Verhalten (SVV) ist die Rede, wenn sich jemand bewusst selbst Schmerzen zufügt. Die meisten Betroffenen schneiden oder ritzen sich mit Rasierklingen, Messern, Scherben und Ähnlichem in die Haut an den Armen und Beinen, manchmal auch an anderen Körperstellen. Manche verbrennen sich, schlagen mit der Faust gegen harte Gegenstände oder reissen sich die Haare aus.


Keine eigenständige Krankheit

SVV tritt besonders häufig im Jugendalter auf und nimmt in vielen Fällen mit dem Älterwerden ab. Es gilt nicht als eigenständige Krankheit, sondern als Symptom einer psychischen Störung oder Erkrankung, kann aber auch unabhängig davon auftreten. Wichtig zu wissen ist: Selbstverletzendes Verhalten bedeutet nicht, dass die Betroffenen Suizidabsichten hegen. Für viele ist es vielmehr ein Versuch, eine starke innere Spannung zu lindern.

Studien zufolge fügen sich ca. 15 Prozent aller Jugendlichen einmal selbst Verletzungen zu, ca. vier Prozent tun es wiederholt. Indirekt sind aber alle Jugendlichen mit SVV konfrontiert, weil es in Musik, Filmen und Literatur – manchmal auf romantisierende Weise – thematisiert wird und bei bestimmten jugendlichen Gruppierungen auch eine identitätsstiftende Rolle spielt.

 

SVV im Jugendalter

Empfehlungen der MOJUGA

Oft bemerken Eltern jahrelang nichts vom selbstverletzenden Verhalten ihres Kindes. Es gibt aber Verhaltensweisen, die darauf hindeuten: Trägt Ihr Kind langärmlige Kleidung auch bei heissen Temperaturen, zieht es sich zurück, schliesst es sich zu ungewohnten Tageszeiten im Bad ein und leidet es unter starken Stimmungsschwankungen, kann SVV dahinterstecken. Auch die Wunden selbst können Hinweise auf deren Ursache geben: parallel verlaufende Schnitte und Kratzer in unterschiedlichem Heilungsstadium und mehrere gruppierte Schnittverletzungen sind häufige Muster bei Selbstverletzungen.


Gespräch suchen

Alles verstohlene Beobachten wird Ihrem Kind nicht helfen. Wenn Sie sich Sorgen machen oder auch nur ein unbestimmtes Unbehagen verspüren, ist es sinnvoll, Ihr Kind in einem ruhigen Moment darauf anzusprechen. Sie brauchen nicht gleich Ihren Verdacht auszusprechen, sondern können erst einmal nur Interesse am Wohlbefinden Ihres Kindes zeigen und Veränderungen an dessen Verhalten ansprechen. Insistieren Sie aber nicht; Jugendliche suchen sich ihre Bezugspersonen oft ausser Haus und manchmal brauchen sie etwas Zeit, um ein Gesprächsangebot anzunehmen. Ermutigen sie das Kind, sich einer anderen Vertrauensperson zu öffnen. Das kann die Jugendarbeiterin, der Schulsozialarbeiter oder eine andere erwachsene Person aus dem Umfeld Ihres Kindes sein. Suchen Sie auch für sich Hilfe bei einer Fachstelle und versuchen Sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder, mit Ihrem Kind ins Gespräch zu kommen.


Verschiedene Hilfsangebote machen

Auch wenn Sie keinen unmittelbaren Verdacht haben, ist es wichtig, dass Sie versuchen mit Ihrem Kind regelmässig im Austausch zu sein. Manchmal sind die Auslöser für SVV mehrere alltägliche Probleme, die in der Menge unüberwindbar scheinen. Oder einzelne spitzen sich derart zu, dass sie zu einer totalen Überforderung und damit zu Handlungsunfähigkeit führen. Schulprobleme, (Cyber-)Mobbing, Konflikte mit Freundinnen oder Freunden, mit der Familie, Liebeskummer, soziale Isolation oder Versagensängste sind mögliche Stressoren. Je mehr Möglichkeiten offenstehen, Hilfe zu bekommen, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es seine Probleme autoaggressiv zu lösen versucht.

SVV und Jugendarbeit

Die Jugendarbeitenden der MOJUGA begegnen dem Thema in ihrem Arbeitsalltag mit Jugendlichen, etwa wenn sie Verletzungen entdecken oder sich Betroffene ihnen anvertrauen. In solchen Situationen übernimmt die Jugendarbeit nicht nur die Rolle einer empathischen Bezugsperson, sondern vermittelt auch zwischen betroffenen Jugendlichen, deren Eltern und helfenden Fachstellen.


Entmystifizieren und ernst nehmen

Bei der Arbeit mit dem Thema Selbstverletzungen ist nicht nur Fingerspitzengefühl im Umgang mit Betroffenen und deren Angehörigen gefragt, sondern auch im Umgang mit jenen Jugendlichen, die einen Fall vielleicht nur am Rande miterleben. Da das Thema mit so vielen Mythen und romantischen Vorstellungen aufgeladen ist, besteht immer die Gefahr eines Nachahmungseffektes. Sollte es zu solchen Kettenreaktionen kommen, müssen auch die vermeintlich aufmerksamkeitsheischenden Nachahmerinnen und Nachahmer ernstgenommen werden. Wer sich selbst wiederholt verletzt, ist immer einer inneren Not ausgesetzt.